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Feldforschung und Materialstudien

Seit 1964 haben die Schweizer Archäologen die Überreste der antiken Stadt Eretria auf der Insel Euböa ausgegraben und untersucht, aber vieles bleibt zu entdecken: Nur ein kleiner Teil der Fundstätte wurde bis jetzt ausgegraben, und das Fundmaterial im Museum sowie auch die Dokumentation der älteren Ausgrabungen haben noch nicht alle Informationen preisgegeben, die sie in sich tragen. Ausserdem haben sich die Interessen in den letzten 50 Jahren verändert. Die Forschungsaktivitäten haben sich über die Stadtmauern hinweg ausgebreitet, um das Territorium der antiken polis Eretria zu erforschen. Hier finden Sie einige der vergangenen und aktuellen Projekte der Schweizerischen Schule.

 

Das Gymnasium von Eretria (2015–2019)

Ein Ausgrabungsprogramm wurde zwischen 2015 und 2019 im Gymnasium von Eretria durchgeführt, um den östlichen Teil des Gebäudes zu erforschen und seine Chronologie zu verfeinern. Dem zweihöfigen Plan des Gymnasiums liegt vermutlich eine Nutzung der verschiedenen Räume durch zwei verschiedene Altersgruppen zugrunde. Es ist eines der seltenen Vorkommen solcher Gebäude in Griechenland. Eine weitere Palästra in der Nähe des Hafens von Eretria wurde 2018 untersucht, um ein besseres Verständnis der Institution des Gymnasiums in der Stadt zu erlangen.

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Plan des Gymnasiums von Eretria (2017)

Die Keramikindustrie von Eretria (2012–2019)

Im Rahmen einer diachronischen Untersuchung der Keramikproduktion und Versorgung der Stadt von der frühen Bronzezeit bis zur römischen Epoche werden in einem interdisziplinären Programm seit 2012 makroskopische, petrographische und chemische (WD-XRF) Analysen kombiniert. Auf der Basis von 425 sorgfältig ausgesuchten Keramikproben aus stratifizierten Komplexen ist es das Hauptziel der Untersuchung, die Zusammensetzung und Technologie der lokalen eretrischen Produktion charakterisieren und so die Variationen der lokalen Handwerkskunst über längere Zeit hinweg zu verfolgen und gleichzeitig importierte Vasen zu identifizieren, um die wechselnde Rolle von Eretria in regionalen und interregionalen Netzwerken zu erforschen.

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Die römischen Bäder (2009–2014)

Die römischen Bäder von Eretria wurden zwischen 2009 und 2014 im Süden des Kaiserkult-Tempels ausgegraben. Das Gebäude erstreckt sich über mehr als 400m2 und hat die charakteristischen Räume: Ein Flur führt zu den Umkleideräumen, auf die eine Reihe von kalten, warmen und heissen Räumen mit Becken folgen; ein Hof für Freizeitaktivitäten, umrandet von Portiken, schliesst den Komplex ab. Grosse Kalköfen zur Mörtelproduktion wurden nördlich des Komplexes entdeckt, sowie auch ein späthellenistisches bis frühkaiserzeitliches tholos Bad. Die römischen Bäder wurden vom Ende des 2. Jhd. bis zur Mitte des 3. Jhd. genutzt. Die Veröffentlichung des Denkmals erschien 2020 (Eretria XXV) und die Schweizerische Schule kümmert sich nun darum, die archäologischen Überreste zu restaurieren und erhalten.

 

Weitere Literatur
AntK 58, 2015, 136–143; 57, 2014, 116–126; 56, 2013, 90–100; 55, 2012, 140–151; 54, 2011, 135–142; 53, 2010, 141–146.
Guy ACKERMANN – Marc DURET, La céramique des thermes romains d’Erétrie. ReiCretActa 43, 2014, 1-8.
Thierry THEURILLAT – Guy ACKERMANN – Marc DURET – Simone ZURBRIGGEN, Les thermes du centre (ERETRIA XXV)

Das Athenaheiligtum (2006–2014)

Die Überreste des Athenaheiligtums wurden in den frühen 90ern auf dem steinigen Gipfel der Akropolis ausgegraben. Dieser Kultort befand sich auf einer bronzezeitlichen Siedlung und wurde zwischen dem Ende des 7. Jhd. und dem Anfang des 2. Jhd. v. Chr. besucht. Die architektonischen Strukturen sind mit Ausnahme einer grossen, in den Stein gehauenen Esplanade beinahe vollständig verschwunden, aber dank reichlich Votivmaterial können die rituellen Praktiken im Heiligtum besser verstanden werden. Es handelt sich um Tausende von Keramikvasen von meist ritueller Funktion, inklusive Miniaturhydrien und Krügen mit hohem Hals, sowie feminine Terrakotta-Figurinen. Gewichte, Webgewichte und epinetra, verweisen auf Webarbeiten, deren Schutzgöttin Athena war.

 

Weitere Literatur
AntK 58, 2015, 132–136; 51, 2008, 148–153; 50, 2007, 119-129
Sandrine HUBER – Pauline MAILLARD, Cavaliers et dédicantes: les terres cuites de l’Athénaion et la communauté civique d’Érétrie. In S. Haxhi-Huysecom – A. Muller (eds), Figurines en contexte : iconographie et fonction(s). Villeneuve d’Ascq 2015, 157-178

Das Territorium von Eretria (2004–2012)

Viele Jahre lang haben sich die Schweizer Archäologen hauptsächlich auf die Siedlung intra muros von Eretria konzentriert. In jüngster Zeit hat ein wachsendes Interesse für die allgemeine Lage der antiken Stadt zu wichtigen Ergebnissen geführt. Die polis Eretria erstreckte sich weit über die Befestigungsmauern hinaus. Ihr Territorium, die „Eretrias“, war am Ende des 4. Jhd. v. Chr. etwa 1300km2 gross und gehörte zu den grössten des griechischen Festlands in der klassischen Antike. Die Zivilorganisation des Territoriums und die Rohstoffnutzung wurden in tiefschürfenden historischen und archäologischen Studien behandelt. Das Territorium umfasste Hunderte von Demen, Farmen, befestigten Siedlungen und Kultorten.

Weitere Literatur
Denis KNOEPFLER, Les territoire d’Erétrie et l’organisation politique de la cité (dêmoi, chôroi, phylai). In M. H. Hansen (ed.), The Polis as an Urban Centre and the Political Community. Symposium August, 29–31 1996, Acts of the Copenhagen Polis Centre vol. 4. Copenhagen 1997, 352–449.
Sylvian FACHARD, La défense du territoire. Étude de la chôra érétrienne et de ses fortifications. ERETRIA XXI, Fouilles et recherches. Gollion 2012.

 

Eretria-Amarynthos Survey Project (EASP 2021-2025)

The ongoing research project “Amarynthos and the Making of the Eretrian Sacred Landscape” includes a multidisciplinary regional survey project whose goal is to study the integration of the Artemision within the ancient landscape. The first axis of the project mainly deals with the region’s archaeology, human ecology, and history from the Bronze Age to the Byzantine period, while the second tackles issues that are more specific to the sanctuary of Artemis, such as the relations between the shrine and the demes, the trace of the sacred way (hiera odos), and the topography of the religious landscape.

EASP 2021-2025

Das Heiligtum des Apollo Daphnephoros (1998–2003)

Das Heiligtum des Apollo Daphnephoros, Schutzgott der Eretrier, wurde im 8. Jhd. v. Chr. erbaut. Die Ausgrabungen der Schweizer Archäologen begannen im Jahr 1964 und wurden zwischen 1998 und 2003 nach einer Zwischenpause wieder aufgenommen. Das Hauptziel war es, die räumliche Organisation und die chronologische Entwicklung des früheisenzeitlichen Heiligtums zu klären. Während des spätgeometrischen Epoche (II) verhalf der Bau eines monumentalen Gebäudes  in Verlängerung des Altars der Sakralzone zu neuer Grösse, mit vielen Hinweisen auf Verehrung: Votivobjekte wurden in monumentalen Gebäuden und in der Nähe des Altars gefunden. Kultaktivitäten beinhalten Tieropfer am Altar, Bankette und die Präsentation von prestigeträchtigen Votivgaben, sowie auch Prozessionen und Tänze.

 

Weitere Literatur
Samuel VERDAN, Le Sanctuaire d’Apollon Daphnéphoros à l’époque géométrique. ERETRIA XXII, Fouilles et recherches. Gollion 2013

ERETRIA XXII

Das Sebasteion (1996–2001)

Die Hauptkreuzung in Eretria wurde in fünf Kampagnen ausgegraben. Wichtige archäologische Überreste aus der späthellenistischen bis kaiserzeitlichen Epoche wurden dabei entdeckt, insbesondere ein Sebasteion. Der Kaiserkult-Tempel wurde im frühen Prinzipat errichtet und beherbergte mehrere Statuen von Mitgliedern der augustäischen, julio-klaudischen, antoninischen und serverischen Dynastien, von denen Hunderte von Marmorfragmenten bei den Grabungen gefunden wurden.

Werkstätten (Färbereien?) des frühen 1. bis Mitte 2. Jhd. n. Chr. sowie ein Kalkofen und (möglicherweise) Latrinen wurden an beiden Strassenseiten entdeckt.

 

Weitere Literatur
Stephan G. SCHMID, Worshipping the emperor(s): a new temple of the imperial cult at Eretria and the ancient destruction of its statues. JRA 14, 2001, 113-142

Alte Ausgrabungen

Die Felduntersuchungen der Schweizer Archäologen haben sich auf einige Sektoren der antiken Stadt beschränkt:

  • Die Häuser des Westquartiers (1966–1978, 1988–1989, 2005, 2008) und das Westtor (1964–1969)
  • Das Heroon (1965–1978)
  • Der östliche Sektor F/5 (1966–1968)
  • Der Kanal (1972–1973, 1976, 1981) und die Gräberterrasse B/3N (1967–1970)
  • Das Mosaikenhaus (1972, 1975–1980)
  • Das Roussos-Quartier beim Hafen (1979)
  • Die Oststoa der Agora und das Bouratza-Quartier (1979–1982)