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Sonntag 17 November 2024

Nachrichten aus Schweizer archäologischen Forschungen in Griechenland 2024

Eingangsworte des Direktors

In der Julisonne kündigten die letzten Hacken und Kellen an, dass die Ausgrabungen im Artemision von Amarynthos nach 13 kontinuierlichen Kampagnen (2012-2024) vorübergehend eingestellt werden. Die Werkzeuge weichen Skalpellen, Q-Tips und Computertastaturen, während die Ausgräberinnen und Ausgräber in die Museen und Bibliotheken zurückkehren. Es beginnt die Schattenarbeit der Archäologie, mit der Analyse der Funde und deren Veröffentlichung. Allein der Tempelbereich erfordert die Zusammenarbeit von mehreren Dutzend Forscherinnen und Forschern aus der ganzen Welt. Im Laufe der Jahre hat die ESAG ein robustes System aufgebaut, das es unseren Teams ermöglichen soll, die Überreste des Artemision in einem hoffentlich baldigen Zeithorizont zu veröffentlichen. Auf jeden Fall ist der Publikationsprozess bereits in vollem Gange, denn Ende 2024 erscheint der erste Band der neuen Reihe AMARYNTHOS. Die Ehre gebührt natürlich Denis Knoepfler, der ein Dekret mit Bezug zum Heiligtum und den Institutionen der Stadt veröffentlicht.

Obwohl die Ausgrabungen in Amarynthos in den letzten Jahren im Mittelpunkt des Interesses standen, wurden die Untersuchungen auch in Eretria fortgesetzt. In dieser Ausgabe werden drei Forscherinnen porträtiert. Weitere Studien sind im Gange, insbesondere zur prähistorischen (Sylvie Müller Celka), klassischen (Claudia Gamma) und römischen (Simone Zurbriggen) Keramik, aber es ist vor allem die archaische Keramik aus Eretria, die mit der Veröffentlichung der Dissertation von Tamara Saggini in der Reihe ERETRIA, Band XXVI, geehrt wird. Ihr Werk bietet einen reichen Überblick über die Keramik des 6. und frühen 5. Jh.s v. Chr.

Parallel dazu wird der Ausbildungs- und Forschungsauftrag der ESAG fortgesetzt. In zahlreichen Praktika konnten die Schweizer Studierenden ihre Ausbildung in den Bereichen Keramik, Kleinfunden und Architektur vervollständigen. Auf Euböa und in der Ägäis wurden unter der Leitung der ESAG weitere Grossprojekte durchgeführt: Die Prospektion zwischen Eretria und Amarynthos wurde fortgesetzt und die Ausgrabungen am Berg Hellanion Oros in Ägina lieferten auch dieses Jahr spannende Erkenntnisse über die Besiedlung der Insel zwischen der Bronze- und der frühen Eisenzeit. Bei Antikythera werden durch die Unterwassergrabungen immer wieder neue Teile des berühmten Schiffswracks und seiner Ladung an die Oberfläche gebracht. 2024 wurden auch die Feldarbeiten in Eretria wieder aufgenommen, mit einem dreijährigen Projekt zur Vermessung und Untersuchung der Überreste des Hafens in Zusammenarbeit mit der Ephorie für Unterwasser-Altertümer und der Octopus-Stiftung. Auch fernab des Feldes macht die Archäologie wissenschaftliche Fortschritte: Das in Zusammenarbeit mit der biologischen Fakultät der Universität Lausanne durchgeführte Projekt für antike DNA lieferte erste bemerkenswerte Ergebnisse zur Identität der Bevölkerung von Eretria von der Bronzezeit bis zur späten römischen Epoche.

 

1964-2024
Im Jahr 2024 jährt sich zum sechzigsten Mal der Beginn der Ausgrabungen durch Schweizer Archäologinnen und Archäologen in Eretria. Dies ist eine gute Gelegenheit, an die Vision und die Rolle unserer Vordenker und Vordenkerinnen zu erinnern: Karl Schefold und Lily Kahil auf Schweizer Seite, Ioannis Papadimitriou und Vasilis Petrakos auf griechischer Seite. Ohne ihr gemeinsames Wirken wäre die Schweizer Archäologie in Griechenland nicht das, was sie heute ist. Was die Jubiläen betrifft, so wird 2025 das 50-jährige Bestehen der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland gefeiert, ohne die es unmöglich wäre, ambitionierte Ausgrabungen und Forschungsaktivitäten der Schweiz in Griechenland durchzuführen.

Die Artemision von Amarynthos (Euböa), Ausgrabung und Prospektion

Die Sommerausgrabung 2024 im Artemision war die letzte Kampagne im Bereich des Tempels, bevor die Forschung in eine neue Phase eintritt, in der die Funde untersucht und veröffentlicht werden. Zu den Entdeckungen gehört, dass der Tempel aus dem späten 8. Jh. v. Chr. über eine abgerundete Vorhalle verfügte. Unter seinen Fundamenten wurden zwei ältere Gebäude aus mykenischer Zeit freigelegt. Die Ausgrabung auf Paleoekklisies erreichte den natürlichen Boden des Hügels unter 3 m Sediment und lieferte eine grosse Menge an Keramik, die an den Beginn des Frühhelladikums I, um 3000 v. Chr., datiert werden kann.

Das Eretria-Amarynthos Survey Projekt untersucht die Entwicklung der menschlichen Besiedlung in der Ebene von Eretria von der Bronzezeit bis in die byzantinische Zeit. Besonderes Augenmerk gilt dem Artemis-Heiligtum und seinem Einfluss auf die räumliche Organisation der Region. Im Rahmen der vierten Kampagne wurden die Ufer des Sarandapotamos untersucht, um die Kontinuität zu den vorangegangenen Untersuchungen zu gewährleisten. Trotz geringer archäologischer Funde im Delta konnten bedeutende Konzentrationen in höher gelegenen Gebieten identifiziert werden. In Gymnou wurden Überreste aus byzantinischer und antiker Zeit gefunden, die auf eine bedeutende Besiedlung hindeuten.

Artemision Projekt - Amarynthos

Hellanion Oros, Ägina

Das fünfjährige Forschungsprogramm auf dem Berg Hellanion Oros auf der Insel Ägina besteht aus zwei Teilen: der Ausgrabung des Gipfels und der archäologischen Prospektion des südlichsten Teils der Insel, rund um den Hellanion Oros. In der vierten Kampagne konzentrierten sich die Arbeiten des griechisch-schweizerischen Teams auf die Überreste des befestigten Dorfes aus der spätmykenischen Zeit. Mehrere Gebäude lieferten zahlreiche Vorrats- und Kochgefässe sowie ein Grab. Die Prospektion ergab zwei bisher unbekannte Fundstätten, von denen eine aus dem späten 4. und frühen 3. Jahrtausend v. Chr. und die andere aus der mykenischen und historischen Epoche stammt, sowie einen Steinbruch für Vulkangestein.

Das Schiffwrack von Antikythera

Das Team aus Schweizer und griechischen Archäologen und Tauchern schloss im Mai/Juni die vierte Unterwasserforschungskampagne zum Schiffswrack von Antikythera ab. Die Arbeiten sind Teil eines fünfjährigen Forschungsprogramms (2021-2025) der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland, das von der Universität Genf (UNIGE) geleitet wird. Die systematischen Unterwasserausgrabungen, bei denen neben der Einrichtung eines wissenschaftlichen Feldlabors erneut modernste Technologien wie Unterwasserdrohnen und Photogrammetrie zum Einsatz kamen, führten unter anderem an der Fundstelle A zur Entdeckung eines Teils des Schiffsrumpfs in situ. Erste Untersuchungen der Fundstelle B haben ebenfalls Hinweise auf Schiffsreste unter dem Meeresboden erbracht. Die Beziehung zwischen den beiden 200m voneinander entfernten Zonen wird noch zu klären sein.

Antikythera Projekt

Unterwasserforschung im antiken Hafen von Eretria

Die Erforschung der Unterwasserstrukturen im Hafen von Eretria begann in diesem Jahr mit einer ersten Reinigungs- und Vermessungskampagne. Der Plan der Seebefestigung wurde um die gesäuberten Abschnitte ergänzt und die ersten Hafenstrukturen konnten teilweise vermessen werden. Mehrere Bereiche mit verstreuten Blöcken und einige Strukturen müssen noch mehr untersucht werden. Parallel dazu wurden durch eine bathymetrische Vermessung interessante Bereiche identifiziert und die Strukturen nach einer Schätzung der antiken Küstenlinie neu platziert.

Sylvian Fachard, Direktor von ESAG

Der Platz reicht nicht aus, um allen Institutionen und Personen zu danken, welche die Aktivitäten der Schule unterstützt haben. Besonders zu erwähnen sind das griechische Kulturministerium, die Schweizerische Eidgenossenschaft (SBFI), der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, die Stiftung für die Universität Lausanne, der Kanton Waadt, die Evangelos Pistiolis Stiftung, die Stavros Niarchos Stiftung, die Stiftung KIKPE und die philanthropische Stiftung Familie Sandoz. Wir sind auch unseren griechischen Partnerinnen für die fruchtbare Zusammenarbeit zu grossem Dank verpflichtet, insbesondere Angeliki G. Simosi, Stella Chryssoulaki und Eleni Sp. Banou.

Dank

– Kulturministerium, Lina Mendoni
– Antikendirektion im Kulturministerium, Olympia Vikatou (Dir.)
– Departement für ausländische archäologische Schulen, Konstantina Benissi (Dir.), Sophia Spyropoulou
– Ephorie für Alter­tümer von Euböa, Dimitrios Christodoulou (Dir.), Olga Kyriazi, Fani Stavroulaki, Stavroula Parissi
– Ephorie von Piräus Inseln, Andreas Darlas (Dir.), Sophia Michalopoulou
– Ephorie für Unterwasser-Alter­tümer, Dimitris Kourkoumelis (Dir.)
– Schweizerische Botschaft in Griechenland, S. E. Stefan Estermann
– Griechische Botschaft in der Schweiz, S. E. Ekaterini Simopoulou
– Gemeindeverwaltung von Eretria, Nikos Gournis
– Regionalverwaltung Zentralgriechenland, regionale Einheit Euböa, Giorgios Kelaïditis
– Amarynthos, Kulturverein, Leonardos Bilalis
– Verein Gerani, Kostas Frangoulopoulos
– Universität Lausanne, Direktion, Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Juanita Béguin, Antonio Santangel, Dilek Güngör, Coralie Grossrieder, Patrizia Ponti, Antoinette Nadal

 

Donatoren und Mäzene
– Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
– Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung
– Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation
– Universität Lausanne und andere Universitäten der Schweiz
– Fondation philanthropique Famille Sandoz, Stavros S. Niarchos Stiftung, Evangelos Pistiolis Stiftung, Gemeinnütziger Fonds des Kantons Waadt, Stiftung für die Universität Lausanne, KIKPE Stiftung, Stiftung Isaac Dreyfus-Bernheim, Ceramica-Stiftung, Société Académique Vaudoise, Théodore Lagonico Stiftung, Afenduli Stiftung