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Samstag 6 April 2024

Ausgrabung im Zeusheiligtum auf Ägina

Vom Gipfel des Hellanion Oros, des höchsten Berges von Ägina aus öffnet sich ein Panorama von der Ägäis über den Peloponnes bis zur attischen Küste. Die antiken Texte berichten, dass sich hier einst ein Tempel des Zeus befand. Deutsche Archäologen hatten im 20. Jahrhundert am Nordhang einen monumentalen antiken Komplex, der mit dem Kult des Göttervaters in Verbindung gebracht werden kann, erforscht, ohne dort aber den Tempel und den Altar zu finden. Deswegen wendet sich die Aufmerksamkeit der Forscher und Forscherinnen nun dem Gipfel zu, der heute von einer orthodoxen Kapelle bekrönt wird. Die Neugierde der Archäologinnen und Archäologen wurde nicht zuletzt durch eine mykenische Tonfigurine (ca. 1400-1200 v.Chr.) geweckt, die dort entdeckt worden war und heute im Museum des Inselhauptortes zu sehen ist.

Um das Rätsel zur Lokalisation des Tempels des Zeus Hellanios und zum Ursprung seines Kultes zu lösen, gräbt ein Team von Schweizer und griechischen Archäologinnen und Archäologen seit 2021 auf dem Berggipfel der Insel im Zentrum des Saronischen Golfes, etwas mehr als eine Stunde mit der Fähre vom Piräus.

Für die Forschenden der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland (ESAG) und der Ephorie für Altertümer von Piräus und Inseln und die Studierenden aus der Schweiz, Griechenland und Deutschland hat sich die tägliche Wanderung auf die 500 m hohe Bergspitze gelohnt: Sie konnten etwas unterhalb der Kapelle ein bronzezeitliches Gebäude mit reichen Funden freilegen.

Das Forschungsteam

Die Ausgrabung wird von Tobias Krapf, von der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland (ESAG) und Stella Chryssoulaki, ehemalige Vorsteherin der Ephorie für Altertümer von Piräus und Inseln und nun Generaldirektorin des Archäologischen Museums Herakleion geleitet. Die ESAG ist die einzige Schweizerische archäologische Mission mit ständiger Präsenz im Ausland. Ihr Sitz ist an der Universität Lausanne. Sie ist ein interuniversitäres Ausbildungs- und Forschungszentrum. Zahlreiche Studierende der Schweizer Universitäten absolvieren bei ihr jedes Jahr Ausgrabungs- und Museumspraktika, insbesondere auf der Insel Euböa, wo seit den 1960er Jahren Schweizer Archäologen und Archäologinnen tätig sind.

Ein Rückzugsort

In einem 13 m2 grossen Raum wurden über 30 Tongefässe vom Ende der mykenischen Periode (ca. 1300-1100 v.Chr.) entdeckt. Einige waren zerbrochen, andere noch perfekt erhalten, so wie sie vor dem Einsturz des Gebäudes zurückgelassen worden waren. Dazu kommen weitere Objekte aus Bronze, Stein und Ton. Bei den Gefässen handelt es sich vor allem um Kochtöpfe sowie um Vorrats- und Trinkgefässe. Das sind keine typischen Votivgaben eines Heiligtums. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass sich hier während dem Untergang der mykenischen Paläste ein Teil der Bewohner der Insel zurückgezogen hat, um von der sicheren Lage zu profitieren. Am Westhang sind zudem noch heute die Reste einer prähistorischen Befestigung sichtbar. Das neu gefundene Gebäude ist wohl Teil dieses Architekturensembles. Diese Entdeckung schliesst allerdings nicht aus, dass sich vor diesen Konstruktionen ein Kultplatz auf dem Gipfel befunden hat. Die hier gefundene Tonfigurine ist in der Tat ein Hinweis darauf und es wurden Keramikscherben sogar aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends vor Christus entdeckt. Diesen Hinweisen wird die Forschung in den kommenden Jahren nachgehen.

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Tongefässe aus der Zerstörung des mykenischen Gebäudes

Spuren des Kultes

Reste des Zeuskultes des 1. Jahrtausends vor Christus und der ersten Jahrhunderte nach Christus wurden jedenfalls auf dem Gipfel gefunden. Ein Fundament aus massiven Blöcken unmittelbar neben der Kapelle und antike Dachziegel weisen darauf hin, dass sich an der Stelle der Kapelle ein älterer Bau, vermutlich ein Tempel, befunden haben muss.

Hangabwärts, über den prähistorischen Strukturen, wurden die Reste der Brandopfer gefunden. Nach den Opferritualen auf dem Altar, der sich wohl auf dem Gipfel befand, wurden die Aschen und verbrannten Tierknochen hangabwärts entsorgt. Für die Archäologinnen und Archäologen sind diese Ablagerungen mit tausenden von kleinen Knochenfragmenten von grösstem Interesse, können sie doch damit die Rituale rekonstruieren. Römische Öllampen deuten zudem daraufhin, dass der Kult möglicherweise auch nachts stattgefunden hat.

Zwei Aspekte des Berges haben also seit der Bronzezeit Menschen hierhergeführt: Einerseits die Sicherheit der abgelegenen und schwer zugänglichen Lage und andererseits die dominierende Position, welche dazu führte, dass er Zeus geweiht wurde.

Ausgrabung unter der Kapelle

Der Kult des Zeus Hellanios

Dass der höchste Gipfel der Insel Ägina gerade dem Göttervater und Wettergott Zeus geweiht ist, erstaunt kaum. Gemäss dem antiken Schriftsteller Pausanias war der Kult vom Zeus-Sohn Aiakos auf Empfehlung des Orakels von Delphi eingerichtet worden, als in Griechenland eine Dürre herrschte. Gleichermassen beschrieb Theophrast im 4./3. Jh. v. Chr. in einem Text zu den Wetterphänomenen, dass die Präsenz vieler Wolken über dem Berg des Zeus Hellanios auf Ägina ein Vorzeichen für viel Regen sind. Gipfelheiligtümer waren in der Forschung bisher vor allem für die Insel Kreta bekannt, verschiedene Forschungsprojekte, darunter das Schweizerisch-griechische, bringen nun aber entsprechende Funde auf dem griechischen Festland und den umliegenden, kleineren Inseln ans Licht.

Die Landschaft verstehen

Um verstehen zu können, wie eine prähistorische Siedlung hier ohne Zugang zu Frischwasser funktionieren konnte, wird nun parallel zur Ausgrabung auch eine archäologische Prospektion des Umlandes, der Südspitze der Insel Ägina, durchgeführt. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war die heute nur noch von Hirten frequentierte Gegend intensiv für Landwirtschaft genutzt worden, wovon die omnipräsenten Terrassenmauern zeugen, sowie Dreschplätze, aufgelassene Dörfer und Kapellen. Aber auch antike und gar prähistorische Spuren fehlen nicht in der Landschaft und es wurden über 3000 Keramikscherben und 150 Steinartefakte gezählt. Das Projektteam interessiert sich auch für die traditionelle Land- und Weidewirtschaft, um das Leben in dieser Gegend besser interpretieren zu können.

Survey der Hänge des Hellanion

Kontakt & Pressemitteilung

Sylvie Fournier
Kommunikation manager
communication@esag.swiss
+41 78 890 04 20