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Mittwoch 2 Dezember 2020

Jahresbericht 2020

Ausgrabungen und Forschungen

Das Jahr 2020 war in vielerlei Hinsicht besonders: Auf der einen Seite schränkte die Covid-19 Pandemie unsere Aktivitäten massiv ein, auf der anderen gelang es der stark reduzierten Ausgrabungsequipe, im Heiligtum der Artemis Amarysia von Amarynthos einige wichtige Entdeckungen zu machen. Die Aktivitäten, welche für ein breiteres Publikum vorgesehen waren, mussten leider allesamt abgesagt werden, beginnend mit der Jahreskonferenz in Athen, die am 12. März stattgefunden hätte, über die 1. Augustfeier im Garten des Grabungshauses von Eretria, die öffentliche Präsentation der Grabungsergebnisse auf dem Dorfplatz von Amarynthos bis zur jährlichen, am 16. November geplanten Jahresversammlung des Beirats und der Mitarbeiter der ESAG. Ebenso mussten wir auf die Durchführung des «Tages der offenen Tür» im Grabungsgelände von Amarynthos sowie auf private und öffentliche Führungen durch das Grabungsgelände verzichten.
Nachdem sich die sanitäre Situation im Mai verbessert hatte und der Lockdown aufgehoben worden war, entschlossen wir uns, eine Grabungskampagne in Amarynthos durchzuführen, allerdings mit stark reduziertem Grabungsteam. Das Grabungspraktikum für Studierende der Schweizer Universitäten musste, um unnötige Reisen zu vermeiden, leider ausfallen. An der Grabung nahmen vor allem das sich bereits vor Ort befindende Personal sowie Studierende griechischer Universitäten teil, deren Anreise weniger problematisch war. Die Equipe musste sich während der gesamten, vom 20. Juli bis 28. August dauernden Grabungskampagne an strenge Sicherheitsmassnahmen halten, sowohl auf dem Grabungsfeld und im Museum von Eretria wie auch in der Freizeit. Dank dieser Massnahmen und dank der Bereitschaft der Grabungsequipe, die strengen Regeln auch einzuhalten, konnten Infizierungen mit dem Coronavirus vermieden werden.

Die von Tobias Krapf und Thierry Theurillat geleitete Grabungskampagne erbrachte trotz den genannten Einschränkungen einige überraschende Resultate. Zum einen wurden zwischen der Ost- und der Nordstoa drei kleinere, oikosförmige Gebäude freigelegt, zum andern gelang es, den lange gesuchten Tempel der Artemis mit Sicherheit zu lokalisieren. Im westlichen Teil des bereits in früheren Kampagnen teilweise freigelegten Gebäudes 6 stiessen wir auf ein bedeutendes Depot von Votivgaben, das sich aus Keramikgefässen, Metallobjekten, skarabäenförmigen Siegeln und anderen Kleinfunden zusammensetzte. Die Aufarbeitung dieses in der Übergangszeit vom 6. zum 5. Jh. angelegten Depots wird noch einige Zeit dauern, doch können wir in dem vorliegenden Bericht bereits einige Angaben zur Beschaffenheit des Depots machen.

Auch das von der ESAG im administrativen Bereich unterstützte Projekt der Unterwasserforschung in der Bucht von Kiladha fand in einer reduzierten Form statt, wie dem untenstehenden Bericht von Julien Beck und Andreas Sotiriou zu entnehmen ist.

Meine langjährigen Forschungen zu den enigmatischen «Drachenhäusern» von Süd-Euböa führten dazu, dass wir in diesem Jahr ein kleineres Projekt lancieren konnten, in welchem wir der Frage nach der Datierung und Funktion dieser Häuser nachgehen möchten. Die geplante Grabung im Drachenhaus von Ilkizes musste leider wegen Covid-19 ausfallen, das reduzierte Team mit Chloé Chezeaux, Jérôme André und Tobias Krapf konnte jedoch eine erste Reinigung des Gebäudes sowie die topographische Bauaufnahme durchführen. Die Grabung selber wurde auf das Jahr 2021 verschoben.

Neuerscheinung in der Publikationsreihe ERETRIA

Die Publikationsreihe Eretria, Ausgrabungen und Forschungen ist seit diesem Jahr um zwei Bände reicher:

  • Band XXV, Guy Ackermann, «La céramique d’époque hellénistique»
  • Band XXV, Thierry Theurillat, Guy Ackermann, Marc Duret, und Simone Zurbriggen, «Les thermes du centre»
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Dank des Direktors

Ein erster Dank gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ESAG, die in diesem besonderen Jahr unter speziellen Bedingungen grossartige Arbeit geleistet haben. Dass diese Arbeiten auch ausgeführt werden konnten, ist nicht zuletzt der perfekten Organisation durch unsere beiden wissenschaftlichen Sekretäre Thierry Theurillat und Tobias Krapf zu verdanken. An dem Sitz der ESAG in Athen durften wir wie gewohnt auf die zuverlässige Arbeit von Valentina Di Napoli zählen, während Kostas Evangeliou die wichtigsten Arbeiten in Eretria erledigte. Im Museum von Eretria restaurierte Harry Giannoulopoulos, unterstützt von Galatia Konsoulidi, die zahlreichen Funde aus den Grabungen.

Ein besonderer Dank gilt den griechischen Behörden, ohne deren Unterstützung unsere Arbeiten nicht möglich gewesen wären: der Antikendirektion im Ministerium für Kultur und Sport unter der Leitung von Polyxeni Adam-Veleni, dem Departement für ausländische archäologische Schulen unter der Leitung von Konstantina Benissi und Sophia Spyropoulou, der Ephorie für Altertümer der Insel Euböa unter der Leitung von Angeliki Simosi sowie der Ephorie für Unterwasserarchäologie unter der Leitung von Pari Kalamara. Unser Dank geht auch an die Archäologen und Mitarbeiter dieser beiden Ephorien, insbesondere an Kostas Boukaras, Olga Kyriazi, Fani Stavroulaki und Stavroula Parissi, und nicht zuletzt an unsere Partnerinnen im Projekt Amarynthos, Amalia Karapaschalidou, und im Projekt Drachenhäuser, Maria Chidiroglou.

Wie jedes Jahr durften wir auf die wohlwollende Unterstützung der Schweizer Botschaft in Athen unter Botschafter SE Olaf Kjelsen zählen. Die griechische Botschafterin in Bern, SE Hara Skolarikou hat anfangs des Jahres ihren Posten verlassen und wurde durch SE Ekaterini Xagorari ersetzt. Danken möchten wir auch dem Bürgermeister von Eretria und Amarynthos, Ioannis Dimitropoulos, dem Kulturverein Amarynthos unter der Leitung von Antonios Karavas sowie dem lokalen Verein Gerani unter der Leitung von Kostas Frangoulopoulos.
Ein besonderer Dank geht an die Universität Lausanne, welche uns ideale Bedingungen zur Ausübung unserer Aktivitäten bietet, sowie den Mitarbeitern der Personal­abteilung Sébastien Favre, Antoine Joan­del und Fanny Bidal, der Finanzabteilung Véronique Pedroli und Dilek Gungor sowie Juanita Béguin und Sandrine Michoud.

Ohne eine Finanzierung durch Drittmittel wäre eine Durchführung unserer verschiedenen Projekte nicht möglich. Deshalb geht unser Dank an alle Institutionen und privaten Donatoren, welche uns unterstützt haben, insbesondere an den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF), an das eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, an das Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), an die Fondation Philanthropique Famille Sandoz, an die Stiftung Stavros S. Niarchos, an die Stiftung Isaac Dreyfus-Bernheim, an die Ceramica-Stiftung, an die Société académique vaudoise, an die Fondation Théodore Lagonico sowie an die Fondation Afenduli.

In eigener Sache

Nach fünfzehn Jahren Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität Lausanne wurde ich am 1. August dieses Jahres altershalber in den Ruhestand versetzt. Meine Nachfolge an der Universität Lausanne übernahmen Sylvian Fachard (PO) und Othmar Jaeggi (PA). In Absprache mit dem Stiftungsrat der ESAG werde ich bis zum Ende des vom SNF finanzierten Projektes «Das Heiligtum der Artemis Amarysia in Amarynthos» als Direktor der ESAG im Amt bleiben. Ab dem 1. Juli 2021 wird die Direktion der ESAG von Sylvian Fachard übernommen.

Sylvian Fachard hat seine Studien der Archäologie und Alten Geschichte an der Universität Lausanne absolviert und besetzte zwischen 2002 und 2011 den Posten des wissenschaftlichen Sekretärs der ESAG. 2009 doktorierte er an der Universität Lausanne mit seiner als Band XXI in der Serie Eretria, Ausgrabungen und Forschungen 2012 erschienenen thèse de doctorat zum Thema «La défense du territoire. Étude de la Chôra érétrienne et de ses fortifications». Nach einem Aufenthalt am Harvard Center for Hellenic Studies in Washington unterrichtete er am Joukowsky Institute for Archaeology & the Ancient World an der Brown University. Von 2013 bis 2016 war er im Rahmen eines SNF-Ambizione-Projektes an der Universität Genf tätig, danach wurde er als Andrew W. Mellon Professor an die American School of Classical Studies in Athen berufen. Sein reiches Curriculum und seine grosse Erfahrung nicht zuletzt im Rahmen verschiedener ESAG-Projekte machen ihn zum idealen Nachfolger und ich wünsche ihm für diese anspruchsvolle Aufgabe viel Erfolg und gutes Gelingen!

Sylvian Fachard, zukünftiger Direktor der ESAG